Dienstag, 22. Juli 2008

Zur aktuellen Diskussion um die Augsburger "Popkommission"

Mit der Idee der Popkommission - oder genauer bzw. fairer: deren Einsetzung als Wahlkampfvehikel - wurde Pop in Augsburg ein Politikum. Ganz unversehens. Denn Pop reibt sich immer noch die Augen und wundert sich, wieviele Freunde, Fürsprecher, Tanten und Onkel er auf einmal hat. Und mittlerweile bemüht nun auch die Popkommission selbst einen akademischen, metapolitischen Überbau. "Endlich", könnten die "Popkommissions"-Kritiker fast rufen, die der Popkommission ja von Beginn an eine politische Unbesorgtheit nachsagten.

Was ist passiert? Warum schreibe ich nun auch etwas dazu? Auf einer ihrer Homepage vorgeschalteten Seite lässt die "Popkommission" nun den US-Ökonomen Richard Florida sprechen. Hinsichtlich Popkultur ist hier die betonte Rede von "existenzieller Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung einer Stadt". Musik- und Clubszene seien "weiche Standortfaktoren" mit "wirtschaftlichen Nebeneffekten". Plötzlich gibt Fuggerstädtischer Pop sich hier ganz monetär. Das klingt eher, als wolle man sich nochmals des Impetus' des Paten CSU rückversichern oder Wallstreet Broker von der Wertschöpfungskraft dreier Gitarrenakkorde überzeugen.

Letztlich aber schließt sich die Popkommission mit diesem ausgestelltem Gedankengut lediglich an die Worte des ehemaligen Wirtschaftsministers von Nordrhein-Westfalen, Wolfgang Clement, an, welcher bereits 1997 bei der Eröffnung der "PopKomm"-Messe feststellte, dass Pop der "Schrittmacher der Innovation unserer Wirtschaft" sei. Wenn Clement das sagt, warum soll es die Popkommission 11 Jahre später nicht auch sagen dürfen? Trotzdem schwer zu glauben, dass das auf der Homepage Gesagte in Wortschatz und Motivation sich an die überwiegend jugendlichen Besucher der Internetseite wenden soll.

Sicher: Längst ist Popkultur keine Gegenkultur mehr - geschweige denn (r)eine Jugendkultur. Sie ist Breiten- und Massenkultur, deren Jugendlichkeit sich oft darin erschöpft oder besser: spiegelt, bräsiger Hochkultur mittels Ironie, alerter Frische und ihrer Hauptwaffe - nämlich vorrangig demokratischer Legitimiertheit - ein Bein zu stellen. Sie selbst wiederum ist längst durch das Feuilleton geadelt. Wahrscheinlich ist es dieser Sachverhalt, der es Mittdreissigern und noch Älteren erleichtert, in neu definierter Würde an der Jugendlichkeit von Pop festzuhalten.

Trotzdem befürchten die Gegner der Popkommission unter anderem eine vorauseilende Institutionalisierung, eine Vorverkrustung des Geistes von Jugendkultur. Jung sein heißt Autoritäten zu hinterfragen, mit gegebenen Strukturen nicht einverstanden sein, in Graswurzelrevolutionen zu denken. Das muss nicht immer richtig, noch weniger klug sein, zeichnet aber Jungsein aus, sonst könnte man ja als junger Mensch ja gleich ohne jeglichen Irrungen und Wirrungen, auch bekannt als erfüllter Lebensvollzug, direktemang in den Sarg steigen.

Viele Kritiker stören sich auch an dem als unvereinbar empfundenen Schulterschluss von aufrührerischer Jugendkultur und wertkonserativer CSU. Für viele ist die CSU per definitionem Anti-Pop. Jene Kritiker müssen sich die Frage gefallen lassen, ob sie auch dann "Verrat" gerufen hätten, wenn die Popkommission ein Wahlkampf-Vehikel der Grünen oder der Jusos gewesen wäre. Wer seine Kritik selbstgerecht am Parteibuch festmacht, gibt Jugendkultur dem Parteienleben preis, steckt sie gleichermaßen in Krawatte und Anzug.

Die Unterstützer der Popkommission sehen die Sache pragmatisch: Was ist falsch daran, die Popmusik-Szene einer Stadt zu fördern? Nichts, freilich. Nicht Pop wird institutionalisiert, sondern ihre Unterstützung. Verkrustungen sollen nicht entstehen, bestehende Diffusverkrustung soll durch Zentralisierung aufgebrochen werden. Was für die Befürworter allein zählt, ist die Stärkung der Augsburger Popkultur.

Und noch etwas ist durchaus wichtig im großen Augsburger Pop-Possenspiel: Das Personal der Popkommission speist sich aus der Musik- bzw. Musikveranstalter-Szene, das heißt, sie schreiben Populärkultur zunächst als Pop, im Sinne von Popmusik. Die Kommission, aber auch deren Kritiker, verwischen dabei, bewußt oder unbewußt, Begrifflichkeiten, indem sie das in "Popkommission" enthaltene Wort "Pop" auf die Kategorie "Populärkultur" ausdehnen. "Populärkultur" hört sich besser an, immerhin steckt das zwar leidlich strapazierte aber immer noch höchst diskursgängige Wort "Kultur" darinnen. (Wollte Augsburg nicht einst Euopäische Kulturhauptstadt werden? Ah - süße alte Wunde!) Außerdem ist Pop dann mehr als nur "Jugendkultur". Fürsprecher wie Gegner der Popkommission wissen diesen Sachverhalt ständiger Lavierungen für sich zu nutzen. Beide Fronten ist es dann fröhlichst möglich, dem Begriff Kultur ein weiteren Begriff, das Abstraktum "Wirtschaft" gegenüber zu stellen. Die Popkommission tut dies bedenklich affirmativ, ihre Gegner hingegen können sich derart in wohlfeiler Kapitalismuskritik sonnen.

Ich gehöre zu den Kritikern der "Popkommission". Und das in meinem Alter. 38. Überhaupt ist es bezeichnend, wie viele Leute in "meinem Alter" leidenschaftlich über Sinn und Unsinn der "Popkommission" diskutieren. Ich ziehe meine Rechtfertigung, mich am Diskurs mit einer Meinung zu beteiligen, daraus, dass nicht nur die Initiatoren sondern auch die Hinterfrager der "Popkommission" durchaus ältere Semester sind. Daran und an manch adulter Verkrampfung ist abzulesen, dass es auch um Definitionsmacht geht. Daraus leitet sich oftmals all zu schnell ein Recht auf Gestaltungsmacht ab. Was sagen eigentlich 16-Jährige, 20-Jährige zur Popkommission, zu Pop und CSU? Letztendlich der springende Punkt ist ja nicht, dass es die Popkommission (nun) gibt, sondern zu was sie bereit war, bevor sie es gab. Für die meisten wird in wenigen Jahren die Popkommission bzw. der Beauftragte etwas sein, das nun eben da ist, und das seinen Zweck erfüllen wird. In drei, vier Jahren wird Augsburg eine ganz neue Generation an Jugendlichen und Studenten zeitigen, die das Gegebene als Gegebenes hinnehmen wird und es ganz pragmatisch und wertfrei für sich nutzen wird. So erschütternd einfach ist das.

Ich habe mit keinem Mitglied der Popkommission ein persönliches Gespräch (über die PK) geführt, auch nicht mit Gribl oder Grab, die wenigsten kenne ich persönlich. Wahrnehmen kann ich nur, wie sie ihre Ideen als Medienfiguren bzw. -figuration lancieren und vertreten. Ich kann nur annehmen und hoffen, dass sie meine kritische Position, die sich eher grundsätzlich als denn lokalpolitisch, eher ästhetisch als pragmatisch, eher "moralisch" als ideologisch empfinden will, als so etwas ähnliches wie konstruktiv und sachlich (hin)nehmen.

Gut, dass "Pop" - oder wie viele es eben wollen: "Populärkultur" - in der Fuggerstadt ein Politikum geworden ist. Allerdings droht - mehr als deutlich - die Gefahr, dass Populärkultur von der Spaßbremse "Politik" vereinnahmt und, umgekehrt, Politik zum Pop-Phänomen degradiert wird. Auch im Wort Populismus steckt das Wort Pop. Fast amerikanische Zustände, könnten Zyniker sagen, oder besser: flüstern. Der zu besetzende "Beauftragte für Popkultur" wird Nahtstelle zwischen den zwei Systemen Pop und Politik sein. Eine Art Überwesen, ähnlich der Figur des Engels in Rainer Maria Rilkes "Duineser Elegien"; jener vermag es, zwei Bereiche, Leben und Tod, in sich zu vereinen. Er nun, der "Beauftragte für Popkultur" wird als kritisch zu beäugende, städtisch eingesetzte Definitionsmacht außerdem beweisen müssen, das die Schnittmenge von Populärkultur und Politik nicht Geld ist, sondern die lobbyfreie Ausgerichtetheit an generellem sozialem Bedürfnis.

Und: Die Glaubwürdigkeit der Popkommission samt "Beauftragten" wird sich daran messen lassen, ob Veranstaltungen auch jenseits von einigen Seiten unterstellten wirtschaftlichen Eigeninteressen und des professionellen Aktionsradius' der einzelnen Popkommissionsmitglieder unterstützt werden - und wie die Popkommission mit Kritikern umgeht, die eben zum Teil auch der popkulturellen Ebene entstammen und im neu entstandenen Machtgefälle innerhalb der Augsburger Pop- und Jugendkultur auf Stellung von Ressourcen angewiesen sein werden.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Interessantes Thema. Könnte man darüber auch etwas weniger verschwurbelt und womöglich gar in kurzen, klaren, verständlichen Sätzen berichten? Was ist den nun eigentlich die Meinung bzw. der Einwand des Herrn Schmidt?

Anonym hat gesagt…

Antwort Martin Schmidt:Stimmt, der Blogeintrag ist sehr schwurbelig. Ist aber auch kein "Bericht" (?). Ich muss in den Weiten des Internets unter ganzem Namen zudem auch nur so deutlich werden, wie mir das persönlich zu einem bestimmten Zeitpunkt behagt. Auch Ihr Kommentar, über den ich mich sehr freue, und der mich dazu gebracht hat, herzlich über mich und mein Geschreibsel zu lachen, zögert ja etwas beim Nennen von Ross und Reiter. Wie der Eintrag schwurbelig andeutet, ziehe ich ein persönliches Gespräch vor als ein öffentliches Angeprangere. Der Eintrag fällt unter die Kategorie "Preaching to the converted". In Blogs ist so manches erlaubt. Ich denke, der Eintrag enthält so manches zwischen den Zeilen, und genau da war mir danach. Gleichzeitig denke ich, dass erkennbar ist, dass glossenhaft Pro und Contra gegeneinander geführt werden. Hängt die Meinung des Lesers vom Blogeintrag ab? Ansonsten steht eigentlich alles im Text: Partei-Wahlkampf, Engführung von Kultur auf Wirtschaftlichkeit, Definitions- und Gestaltungsmacht.Danke für den Eintrag! Dies ist kein klassisches Forum - gerne aber können Sie Ihre Meinung zum Thema selbst hier gerne noch einschreiben.MS